Die Pleite hat historische Dimensionen. Wir müssen im Geschichtsbuch weit, weit zurückblättern, bis wir eine SCB-Heimniederlage gegen die ZSC Lions in diesen Dimensionen finden: Vor mehr als zehn Jahren – am 26. Februar 2013 – haben die Berner auf eigenem Eis gegen die Zürcher 2:7 verloren. Am Ende der Saison ist der SCB unter Antti Törmänen trotzdem Meister geworden.
Nur unverbesserliche Romantiker sehen im dienstäglichen 1:6 gegen die ZSC Lions ein meisterliches Omen für den SCB. Es ist eine bittere Niederlage. Und doch stand oben auf der Anzeigetafel mit dem 1:6 nur die halbe Wahrheit. Der SCB war nämlich nicht so schwach und nicht so chancenlos, wie es das Resultat vermuten lässt. Nach Torschüssen (31:28) und guten Abschlussmöglichkeiten gerechnet, wäre ein 1:3 oder 1:4 der Wirklichkeit nähergekommen. So gesehen ist das 1:6 die halbe Wahrheit.
Aber auch diese halbe Wahrheit ist eine bittere: Das SCB-Problem in dieser Saison im Allgemeinen und nun gegen die ZSC Lions im Besonderen lässt sich in Anlehnung an eine Kreation im US-Wahlkampf auf einen einzigen Slogan reduzieren: «It's all about speed, stupid!» 1992 gewann Bill Clinton den Wahlkampf um die US-Präsidentschaft gegen Amtsinhaber George Bush mit dem Slogan: «It's the economy, stupid!»
Der SCB steht mit dem neuen Trainer Jussi Tapola am Anfang eines langen Weges zurück in die Spitzengruppe. Die grösste Schwierigkeit lässt sich auf einen einzigen Satz reduzieren: «It's all about speed, stupid!» Es geht um Tempo. Tempo ist nicht alles in dieser Liga. Aber ohne Tempo ist zumindest während der Qualifikation (fast) alles nichts.
Die Zürcher sind für die Berner in dieser Partie viel zu schnell. Sie zelebrieren unter Marc Crawford ein Tempohockey, das aktuell an einem guten Abend jeden Gegner ins Wanken bringt. Mit einem bissigen Forechecking packen sie die gegnerische Angriffsauslösung schon an der Wurzel. Die Störarbeit – oft mit zwei Mann – ist gut getimt. Die eigenen Angriffe lösen sie schneller aus, die Konter sowieso. Bei Puckverlusten eilen sie schneller zurück und in der eigenen Zone lassen sie den Gegenspielern wenig Raum und Zeit zum Abschluss. Die ZSC Lions haben die Langsamkeit der Berner in allen drei Zonen, im Offensiv- und im Defensivspiel schonungslos aufgedeckt.
Wie kann es dann sein, dass der SCB in vier der ersten fünf Partien gepunktet hat? Die Statistik liefert uns zumindest einen Teil der Antwort: In den drei ersten Partien haben die Berner 73 Strafminuten eingefahren. Mit wildem Spiel, das zeitweise an Playoffs mahnte. In den letzten drei Spielen waren es gerade noch 10 Minuten. Keine Strafe gegen Langnau (7:0), sechs Minuten in Zug (2:3 n.P) und nun vier gegen die ZSC Lions.
Gegen die Langnauer hatte der SCB kein Tempoproblem. Langsame Berner unter sich. Die SCL Tigers gehören ebenfalls zu den langsamsten Teams der Liga. Auch in Zug war es nicht nötig zu rumpeln. Die Zuger setzen eher auf spielerische Mittel und sind vorerst weder so selbstsicher, so frisch noch so bissig wie die ZSC Lions.
Der Versuch, mit den Zürchern mitzuspielen, mit den Zürchern zu tanzen, musste im Debakel enden. Der SCB kann ein Spitzenteam in der Form der ZSC Lions nur mit Härte, Intensität und Provokationen in Schwierigkeiten bringen. Nicht aber mit rein spielerischen Mitteln. Der SCB ist zwar ein Titan, aber einer auf hölzernen Füssen. Dominik Kahun ist aktuell der Einzige, der zu den Schnellsten der Liga gehört. Simon Moser ist in der aktuellen Verfassung gar der langsamste Captain der Liga. «It's all about speed, stupid!»
Die Schnellsten des Herbstes sind nicht unbedingt die Besten des nächsten Frühjahres. Die Langsamsten des Herbstes auch nicht zwingend die Chancenlosen des kommenden Frühlings. Mit Tempo ist es möglich, die Qualifikation zu dominieren. In den Playoffs muss Tempo mit Intensität gewürzt werden. Und umgekehrt kann auch ein recht langsames Team weit kommen, wenn es fehlende Schnelligkeit mit Provokationen, Härte und Intensität kompensiert. Die Pleite gegen die ZSC Lions hat gezeigt: Die Berner sind zu langsam, um die Qualifikation spielerisch zu dominieren. Aber wenn Jussi Tapola mit taktischem Verstand die richtige Dosis des «Bösen» ins Spiel mischt, dann kann er im Frühjahr weit kommen.
Es wäre allerdings schon hilfreich (und bald könnte es zwingend erforderlich werden), wenn er einigen seiner vermeintlichen Stars wie Joel Vermin oder Ramon Untersander in den nächsten Wochen ein wenig Beine macht (dann gehören sie zu den Schnellsten der Liga) und Tristan Scherwey darauf hinweist, dass es nicht mehr genügt, nur jeden dritten oder vierten Abend das beste Hockey zu spielen. Dass beim SCB-Trainer die Leistung und nicht grosse Namen zählen, hat er gegen die ZSC Lions bewiesen: Nach dem vierten Gegentreffer war die Partie für Torhüter Adam Reideborn (Fangquote 73,33 Prozent) bereits zu Ende. Philip Wüthrich kann aufatmen: Auch der vermeintliche schwedische Weltklassegoalie kocht nur mit Wasser.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
5,2
09.22
5,2
09.23
5,2
01.24
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Hätten die ZSC Spieler Lust gehabt im dritten Drittel weiter so Vollgaa zu geben und Tore zu schiessen, hätte es ein Stängeli gegeben.
Sogar das einzige Berner Tor war eher zufällig und die Berner Schüsse waren mit einer Ausnahme beim Lattentreffer komplett ungefährlich.
Der ZSC ist diese Saison so ausgeglichen stark besetzt und hat auch wenn nötig die Spieler um zu Rumpeln, doch der Z ist so schnell unterwegs da haben Gegner wie ein SCB gar keine Chance mit Rumpeln etwas zu ändern, auch dann nicht in den Playoffs.